Neues im Kolonialwarenladen

Herzliche Einladung zur Ausstellung

NEUES IM KOLONIALWARENLADEN

Eröffnung: Freitag, 4.7.2025 um 19.00 Uhr
Begrüßung: Wolfgang Diez und Micha Hartmann
Einführung: Vivien Sigmund

Öffnungszeiten: samstags und sonntags von 14.0 0–18.00 Uhr
Ausstellungsdauer: 4.7.–27.7.2025

Galerie Diez, Kirchheimerstraße 85, Dettingen unter Teck

Beteiligte Künstler: Rosemarie Beißer, Julia Brielmann, Gaby Burckhardt, Sibylle Burr, Norbert Edel, Bettina Funke,
Micha Hartmann, Tim Stefan Heger, Angela Hildebrandt, Sebastian Kopp, Barbara Lörz, Kornelia Pfütze, Dagmar Roos, Regine Schaupp, Wolfgang Scherieble, Margit T. Schranner, Evi Wietschorke und Bertl Zagst.

Einladungskarte Neues im Kolonialwarenladen_pdf

Zur Ausstellung: Am selben Ort, an dem heute Wolfgang Diez seine Kunstgalerie betreibt, hatten seine Eltern und Großeltern einen sogenannten Kolonialwarenladen. An diesem Ort wird der Esslinger Kunstverein aHBKE (artgerechte Haltung Bildender Künstler Esslingen e.V.) eine Ausstellung durchführen unter dem Titel „Neues Im Kolonialwarenladen“. Früher wurden dort Dinge des täglichen Bedarfs verkauft, es gab aber auch ausgewählte Kolonialwaren wie Zigarren, Tee, Kaffee und in einem kleinen Extrabereich, der heute nicht mehr zu dem Galerieraum gehört, Textilien. Das Ladengeschäft in der Kirchheimer Straße 85 existierte von 1923 bis 1990. Das Gebäude wurde im Krieg zerstört und danach wieder zügig aufgebaut. Die damalige Inneneinrichtung mit Wandschränken und Regalen ist noch teilweise erhalten und sorgfältig restauriert. Diese werden teilweise in die Ausstellung einbezogen. Das ehemalige Geschäft hat immer noch eine großzügiges Schaufenster, das vielfältig genutzt werden kann und Teil der Ausstellung ist. Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist aus verschiedenen Perspektiven interessant. Kolonialwarenläden waren ein Ort der Kommunikation im Ort. Es wurden Waren aus Ländern vertrieben, in denen die wenigsten Menschen schon mal selbst gewesen waren. Die Vorstellung des „Exotischen“ war in Verpackung und Präsentation in den Läden präsent. Bis in die 50-iger Jahre wurden die Waren oft direkt beim Großhändler eingekauft. Die Betreiber waren also nicht nur einfache Verkäufer sondern auch selbstbewusste Geschäftsleute. Außerdem stellt sich natürlich auch die Frage nach Ausbeutung und wirtschaftlicher Abhängigkeit – damals wie heute. (Micha Hartmann)

Zu den gezeigten Arbeiten:

Faltblatt_Neues im Kolonialwarenladen

Rede_Kolonialwarenladen_Dettingen_Vivien_Sigmund

 

Rosemarie Beißer: Vergeltsgott, Objekt ohne Titel

Malerei auf Leinwand, 50 x 100cm, 2016/2025,

Objekt, ca. 40x35x25 cm, 2025

 

Die Missionsspardose in den Kirchen stellte ein schwarzes Kind dar, das den Kopf nickend bewegte, wenn Geld eingeworfen wurde. Der „Heide“ sollte unterwürfig den überlegenen Kolonialherren und Missionaren Dankbarkeit entgegenbringen. Repression ist auch das Thema bei dem Objekt ohne Titel aus dem Jahr 2025.

 

Julia Brielmann: Strukturenfiguren

Gemüsenetz, Bienenwachs; ca. 14 x 14 x 14 cm

Eine Auseinandersetzung mit Gemüsenetzen, mit Form und Materialität eröffnet neue Perspektiven auf ihre Funktion und Bedeutung. Das Netz selbst wird zur Figur im Raum.

 

Gaby Burckhardt: Recycling

Tüten aus Papier, Pappe und rotem Garn; Patchwork/Quilting mit Nähmaschine;

  1. 29 cm x 18 cm x 9 cm / 11 “ x 7 “ x 3 1/2 “

 

Gebrauchte Papiertüten werden in exakt 4 x 4 Zoll große Quadrate geschnitten. 24 Quadrate werden in 4 Reihen zu 6 Quadraten versteppt und das fertige Patchwork wird gegen Rollenpapier diagonal gequiltet. Nachdem die entsprechenden Falze erstellt sind, werden die Seiten- und die Bodennaht geschlossen, die Faltung des oberen Rands ausgeführt und die Bodenverstärkung eingelegt.

 

Sibylle Burr: Brause 

Laserdruck in Goldrahmen; 4 x 29,7 x 21 cm, 2025

In den 60er Jahren besuchte ich regelmäßig unseren Kolonialwarenladen in der Pforzheimer Nordstadt. Am interessantesten waren dabei für uns Kinder die Süßigkeiten, die rechts unten auf einem Regalbrett auslagen. Ich mochte besonders die Brause mit ihrem prickelnden Geschmack als Stängel oder Würfel…..

 

Norbert Edel: Sonne über Java, Javaanse Jongens 1-3

Sonne über Java: Mischtechnik auf Papier, 66 x 67, 2025

Javaanse Jongens 1-3:  Mischtechnik/ Acryl  auf Papiergefäß, 2025, je Höhe ca. 13cm, Æ ca. 17cm

 

Zwei Fotografien aus dem Fotoalbum der Betreiber des Kolonialwarenladens begegnen sich: entspannte Europäer am Strand Javas und zwei javanische Jungen vor einem Bambuszaun. Die beiden javanischen Jungen halten dem Blick auch auf der Außenseite von drei Papiergefäßen stand und bringen weitere Bilder ins Spiel.

 

 

Bettina Funke: Scherben- und Farbarbeiten 

Unterschiedliche Größen und Farben

In den Scherben- und Farbarbeiten  geht es um die Spannung zwischen dem Zauber des Fremden und dahinter liegenden Brüchen und Verletzungen. Im ehemaligen Kolonialwarenladen zeigt sich das Alltägliche subversiv- zersplittert, verbunden, verwandelt.

 

Micha Hartmann: Erinnerungen an eine andere Zeit

Tisch, Schreibmaschine (Triumph) , mit dieser Maschine geschriebene Texte auf altes Zeichenpapier

Am 19.03. 2025 habe ich Emil Diez in Begleitung seines Sohnes Wolfgang besucht. Er war da schon 101 Jahre alt und lebte seit einem halben Jahr im Altenheim. Circa eine Stunde lang erzählte er mir aus seinem Leben und der Geschichte des „Neuen Laden“.

 

Tim Stefan Heger und Regine Schaupp: von Ferne

Tisch-/Theken-Postkartenständer bestückt mit mehreren original Arbeiten im Postkartenformat ca. 10×15 cm, Mischtechniken, Collagen, Druck auf Papier, Karton.

Die Postkarten im Verkaufsständer berichten vom Blick aus der Distanz auf Bilder von der Ferne, als Sehnsuchtsort und Projektionsfläche von Wünschen wie Ängsten. Ein Versuch bewusster Brechung von Stereotypen, in einer Zeit in der im globalen Dorf ganz unmittelbar Strategien der Kolonial-isierung und Unterwerfung, Verbannung und Deportation Gewicht gewinnen.

 

Angela Hildebrandt: fast blickdicht – 20DEN, Bensdorp – Tondo

Plastikbox, Polyamidfeinstrumpfhosen, Draht

Runde Bilder (Tondi), Schokolade / Pigment auf Platte Durchmesser je 30 cm

 

Die Entwicklung der Strumpfhode geht vom hautengen Männerbeinkleid (15. Jh.) über Nylons mit Naht und Laufmaschendienst (Schwarzmarkt-Zweitwährung 1945/49 wie Zigaretten und Schokolade) bis hin zu der – wie hier in der Box – seit Mitte der 1960er per Rundstrickmaschine massengefertigten Polyamidfeinstrumpfhosen für ein farbiges, blasses oder gebräuntes Damenbein. Nach dem Tragen entwickeln sie ein seltsames Eigenleben.

 

Sebastian Kopp: Artefakte der Gattung Koppsache

Kleine Objekte sortiert nach verschiedenen Materialien in einem Schaukasten

Die Artefakte der Gattung Koppsache sind hier erstmals systematisch erfasst und dem Publikum zugänglich gemacht. Untersuchungen dieser Art sind noch ganz am Anfang. Von der Dettinger Anordnung erhoffen wir uns neue Erkenntnisse.

 

Barbara Lörz: Alles is(s)t Wurst, für vegane Würste; „Are you weh da“

Alles is(s)t Wurst, für vegane Würste: Metallständer, Wursthäute mit Inhalt

„Are you weh da“: Teebeutel deren Inhalt sind Heilkräuter auf der heimischen Wiese gepflückt

 

Die Grundidee besteht darin, mittlerweile industriell gefertigte Produkte als Kunstwerke nachzugestalten. In dem ehemaligen Laden werden verschiedene Teebeutel und in Wursthäute verpackte Nahrungsmittel dargeboten. Nahrungsmittel und ihr Wert sollen im Kontrast zur heutigen kapitalistischen Realität sinnlich erfahrbar gemacht werden.

 

Kornelia Pfütze: Im Laden

Ölbild auf Holz, Lasurtechnik

Sonst beziehen sich ihre sorgfältig komponierten Ölbilder häufig auf Alltagsszenen in Italien. Hier ist ein altes Foto aus dem ehemaligen Neuen Laden in Dettingen die Vorlage. Die Technik orientiert sich an der Vorgehensweise alter Meister.

 

Dagmar Roos: Fotos aus Äthiopien

Drei Fotos aufgezogen auf einer strukturierten farbigen Holzplatte; je 30 x 30cm

Kaffee und Äthiopien gehören zusammen – es gibt Wildsorten, Kleinbetriebe, Plantagen aber vor allem viele verschiedene Kaffeegenüsse. Völlig selbstverständlich gab es in Äthiopien viele Kaffeeangebote unterwegs – eine Auswahl, die nichts mit den Trends hierzulande zu tun hat. Es gab und gibt eben doch nicht alles im „Kolonialwarenladen“. Einen Eindruck dieser Kaffeekultur sollen meine Bilder zeigen.

 

Wolfgang Scherieble: Aufbewahrungskasten für Wandobjekte

Objekt auf Metallsockel, ca. 60 x 23 x 141 cm hoch.

Wohin mit der Kunst, wenn die Wand fehlt?

Der „Aufbewahrungskasten für Wandobjekte“ wurde zum „Ausstellungskasten für Wandobjekte“ weiterentwickelt: jeweils eines der fünf Wandobjekte kann am Kasten außen angebracht werden und ist somit ausgestellt. Ein Austauschen des ausgestellten Objektes ist möglich und erwünscht. Einige der Wandobjekte haben 2 Schauseiten.

 

Margit T. Schranner: Kolonialwaren

Wachsplatten in quadratischem Format

Die Kolonialwaren Kaffee, Tee, Zucker, Reis, Tabak und Kakao werden ihrem ursprünglichen Verwendungszweck entzogen, in geschmolzenes Wachs gerührt und damit konserviert. Dabei verändern sich Beschaffenheit, Farbe, Geruch, etc. und die Genussmittel werden auf ihre Materialität reduziert.

 

Evi Wietschorke: Wonka, „Lieber Tee?“

Wonka: Glasierte Keramik, 5-teilig, 2025

„Lieber Tee?“ Mixed Media, 2025

 

Wonka: Fünf goldene Eintrittskarten, versteckt in Schokoladentafeln, damit lockt Willy Wonka die glücklichen Auserwählten in seine Fabrik, in welcher die Oompa Loompas fleißig Schokolade ernten und dabei noch Moral lehren. Aber nur einer gewinnt und erbt das Imperium.

„Lieber Tee?“: Auf in Indien angefertigtem, aus Baumwolle handgeschöpftem und mit Tee eingefärbtem Papier, entstehen durch Hochdruck, Collage und Baumwoll-Stickerei Bilder, die sowohl die Kakaoschote als auch die Bohnen zeigen. Aber wie sieht die andere Seite dieser Werke aus?

 

 

Bertl Zagst: Krawatten in Holzkasten

Seide, Mischgewebe, Holz, Glas, Dispersion, 39cm x  29cm x 18cm, 2024/25

In dem ehemaligen Erste Hilfe Kasten sind eng aneinander aufgerollte Krawatten aufbewahrt. Die Krawatte war das markante Kleidungsstück des Mannes in Führungsposition in der Zeit des Wirtschaftswunders. Erst in den letzten Jahren verlor sie ihre Bedeutung als Zeichen von Seriosität, Professionalität, Autorität und Konformität. Durch die Präsentation des Symbols „richtigen Benehmens“ und gesellschaftlicher Unterordnung in einem verschließbaren Kasten, entsteht der Eindruck einer Reliquie vergangener Zeit. Die Kollektion der Krawatten stammt von einem Mitarbeiter im Management eines Marktführers.